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Foto: Helena Wimmer
Traumberuf Museum Worker – Kulturelle Gestaltungsverantwortung als Entwicklungsziel
„Wir haben einen schönen Beruf“, so oder so ähnlich denken und drücken sich Museumsmenschen mit einer positiven Sicht auf ihre Arbeit im aus [1]. Diese positive Sicht hängt davon ab, ob wir glauben, die Ziele und Aufgaben für das Museum mit unseren Ressourcen erreichen zu können – dann ist es tatsächlich der schönste Beruf. Solange es in irgendeinem Bereich nicht ganz rund läuft, sind wir zumindest vielleicht schon am Weg dahin. Wenn es aber jedes Jahr ein neuer und anstrengender Prozess ist, um überhaupt grundlegende Anforderungen erfüllen zu können, ist das Museum nur für Menschen mit sehr viel Idealismus ein ‚reizvoller Arbeitsgeber‘. Aber das ist auch gut so – die Arbeit im Museum ist keine ‚Zweckehe‘. Die beste Motivation – unter oft schwierigen Rahmenbedingungen – ist, dass unsere Arbeit Sinn stiftet.
Das Museum Arbeitswelt in Steyr wurde 1987 eröffnet. Seither bewahren, zeigen und pflegen wir das kulturelle Gedächtnis der arbeitenden Menschen für unsere Gesellschaft – vom Beginn der Industriellen Revolution bis zur Digitalisierung und darüber hinaus. Das Museum Arbeitswelt ist das einzige Museum Österreichs mit dieser speziellen Perspektive. 2019 wurden wir für unsere Arbeit mit dem Österreichischen Museumspreis ausgezeichnet. WIR, das sind aktuell 17 Mitarbeiter:innen, die zusammen wöchentlich 466 Stunden arbeiten.
Davon sind vier Vollzeit, zwölf in unterschiedlichen Teilzeitvereinbarungen, eine Person ist geringfügig beschäftigt. Von den jeweiligen Projektenphasen abhängig, werden wir auch von Ehrenamtlichen unterstützt, einer davon arbeitet ganzjährig im Depot mit, andere z. B. fallweise bei Umbauten oder Veranstaltungen.
Verbundenheit mit dem Haus
Die Verbundenheit mit dem Haus und seinen Inhalten äußert sich in vielen Fällen bereits im Bewerbungsprozess („Ich habe schon so viel Gutes vom Museum Arbeitswelt gehört und wollte immer schon hier arbeiten.“) oder bei den jährlichen Entwicklungsgesprächen mit dem Team („Es passt sehr gut für mich. Ich mache genau das, was ich immer wollte.“). Bei genauerem Nachfragen nach Entwicklungszielen und Verbesserungsvorschlägen, ergibt sich neben der Sinnstiftung und dem Wunsch nach Aberkennung aber genau das typische Bild, das auch in anderen Branchen so ist – wir wünschen uns …
- angemessene und faire Bezahlung unserer Arbeit,
- ein angenehmes Betriebsklima und
- ein gestaltbares Arbeitsumfeld.
Darum fallen auch Aussagen wie „Im Museum arbeite ich, weil ich das Team mag.“ und „Ich kann hier meinen Lebensunterhalt verdienen.“, die genauso eine gute Basis für eine längerfristige Entwicklung sein können. Immer wichtiger wird auch die Gestaltbarkeit, d. h. viele im Team wollen in Teilzeit arbeiten – und zwar nicht nur wegen Kinderbetreuungspflichten –, andere im Homeoffice oder überhaupt einmal eine Auszeit nehmen. Zur Attraktivität eines Arbeitsplatzes gehört, dass im Museum mittlerweile genauso, wie die Transparenz der Entscheidungen und eine positive Gesprächs- und Fehlerkultur. Der Fokus darauf muss jedoch nachhaltig sein, die Wirkung von einmaligen Aktionen verpufft. Aus diesem Grund wurde der Bereich „Gute Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum“ auch in die SDGs der Vereinten Nationen aufgenommen und in der ICOM Initiative „17 Museen X 17 SDGs“ vom Museumsteam der inatura Dornbirn bearbeitet, wobei für einen guten Arbeitsplatz Wünsche nach Transparenz und nach Fortbildung betont wurden [2].
Das Museum Arbeitswelt ist tief mit seinem Gründungsort – der Industriestadt Steyr – verbunden. Bereits in der Gründungsphase wurden Menschen befragt, die das Gebäude renovierten und das Konzept erarbeiteten. Es ging dabei um die Tätigkeiten im Museum und um das Arbeitsverhältnis untereinander. Beim Aufbau dabei gewesen zu sein, Archive aufzuarbeiten und mit dem Museum gezielt Kinder und Jugendliche anzusprechen, wurde als besonders interessant genannt. Ein spezifisches Merkmal war auch damals bereits die Einbeziehung der Mitarbeitenden in Entscheidungsprozesse.[3]
Das Museum als Ort für Diskussionen
Abseits tagespolitischer und regionaler Grenzen ist es noch immer unser Ziel, als Ort wahrgenommen zu werden, an dem über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unserer Gesellschaft nachgedacht wird. Dabei soll es nicht beim Nachdenken bleiben – viel wichtiger ist, dass diskutiert wird und wir Menschen die Möglichkeit bieten, ihre Zukunftsvorstellungen zu artikulieren. Die Verleihung des Österreichischen Museumspreises im Jahr 2019 war eine wichtige Wertschätzung dieser Arbeit, besonders auch deshalb, weil sie auf eine Phase finanzieller Herausforderungen im Museum Arbeitswelt folgte, die das Team verunsicherte. Ein Wechsel in der Geschäftsführung bot die Chance, neue Ideen und zusätzliche Kompetenzen und Erfahrung einzubringen. Im Rahmen eines internen Projektes wurde das Team in dieser Umbruchphase zu Stärken und Schwächen der Organisation befragt und erhoben, welche Erwartungen und Vorschläge es zur Verbesserung der Museumsarbeit gab. Es ging dabei um grundlegende Bedürfnisse wie „gesicherte Finanzierung des Museums“, „sicherer Arbeitsplatz im Museum“, „unbefristete Dienstverträge“, aber auch um Gestaltungsfreiräume und mehr Transparenz über Entscheidungen sowie um bessere Kommunikation. Ein wichtiger Punkt war auch die Formulierung von Zielen und der Blick in die Zukunft: Welches Museum wollen wir sein? Wie und mit wem wollen wir arbeiten? Welche Themen möchten wir aufgreifen? Daraus resultieren Anstrengungen – wie bei einer Balanced Scorecard –, Ursachen und Wirkungen transparent und sich ständig verbessernd darzustellen. Diese Idee zur Verbesserung der Methodenkompetenz ist gar nicht neu, es ist aber noch immer und immer wieder gut, sich daran zu erinnern, dass die Komplexität des Museumsbetriebes in Teilaspekten bearbeitet und parallel dazu allen Mitarbeiter:innen die übergeordneten strategischen Ziele nahegebracht werden sollten[4]. Würde man die Komplexität und alle damit verbundenen Risiken jeden Tag betonen, wäre das Team wahrscheinlich schon auseinandergefallen oder einzelne hätten sich bis zur Selbstaufgabe übernommen und ins Burnout manövriert. Es gibt immer zu tun, wir sind nie fertig!
Konsequente Öffnung nach innen und außen
Im Rahmen der Weiterentwicklung der letzten vier Jahre fokussierten wir im Museum Arbeitswelt auf eine weitestgehende Öffnung des Museums mit dem Ziel, bestehende Kooperationen zu stärken und neue aufzubauen. Gemeinsam zu arbeiten, ist immer besser, als im Alleingang zu kämpfen. Das Museum an seinem Standort im historischen Stadtteil Wehrgraben ist weit mehr als nur ein Museum. Es ist durch gemeinsame Anstrengung im Team und Einbindung vieler „Museumsfreund:innen“ und der Außensicht von Kooperationspartner:innen ein agiler, neuer Kulturraum geworden. Das geschieht aber keinesfalls beliebig, weil wir uns positionieren: Wir nehmen eine Haltung ein und sind dafür bekannt. Damit stehen wir auch nicht allein da – wirklich spannend ist es in der Kunstwelt dann, wenn sie politisch ist. Welche Verantwortung übernehmen wir und wie könnte das „gute Leben“ für alle aussehen[5]?
Mitgestaltung – kein leeres Wort, sondern Programm
Mitgestaltung ist kein leeres Wort, sondern Programm. Dazu trägt einerseits die flache Hierarchie bei, aber auch das jährlich wechselnde Programm, mit dem wir auf aktuelle Themen Bezug nehmen können. Durch einen laufenden Dialog mit vielen unseren Gäste, Mitgliedern, Ehrenamtlichen, im Museumsbeirat, mit Nachbar:innen u.v.m. schaffen wir eine Entwicklung vom „Kunden“ aus. Museumsmenschen sind ja nicht nur die hier Arbeitenden, sondern alle die ein- und ausgehen. Sie bringen ihre alltäglichen Erfahrungen in neue Angebote und Formate ein. Viele Kooperationen sind aus einmaligen Ideen oder Pilotprojekten entstanden und haben sich so gut bewährt, dass sie mittlerweile jährlich sattfinden. Beispielsweise wollten wir als Klimabündnispartnerbetrieb immer schon mehr zu diesem Thema machen. Das zeigt sich jetzt nicht nur in der aktuellen Ausstellung „Future Food – Essen für die Welt von morgen“, sondern auch darin, dass wir vielen anderen Gruppen, die sich für den Klimaschutz engagieren, im und um das Museum herum einen Ort für Veranstaltungen bieten. Wir unterstützen sie mit unserem Backoffice, der Haustechnik usw. und so findet heuer bereits zum fünften Mal am Museumsvorplatz ein Klimafest statt.
Wie lange werden wir dieses Engagement durchhalten?
Wie lange werden wir dieses Engagement durchhalten? Als Museumsverein bleibt immer eine gewisse Unsicherheit, was die Finanzierung betrifft. Es gibt zwar Rahmenförderverträge, aber im Grunde jedes Jahr auch die Frage: Haben wir genug Sonderprojekte mit Sonderfinanzierung, die das Kernteam und somit das Angebot stabil halten? Eine weitere Herausforderung ist die Instandhaltung des Museumsgebäudes. Einerseits hatte das Gründungsteam eine klare Vision, die mit einer eigenen Immobilie mehr Sicherheit bietet, andererseits werden nach über 30 intensiven Jahren im Betrieb viele Renovierungen nötig. Wir müssen Entscheidungen treffen, welche neuen Strukturen wir schaffen sollten, um weitere 30 Jahre lang Programm im Museum Arbeitswelt machen zu können. Bei aller Liebe zu flachen Hierarchien, ist das keine Aufgabe für das Team, sondern für die Leitung des Vereins. Das zukünftige Bild unseres Museums wird immer eines sein, in dem das Hauptmotiv gesellschaftliche Relevanz ist. Wir sehen uns in erster Linie als Gestalter:innen von Kultur, nicht als Bewahrer:innen von Kulturgut und wollen auch in Zukunft Diskurse anregen und die Gesellschaft positiv verändern. Dafür brauchen wir Menschen mit Neugierde und Verantwortungsbewusstsein, die diesen Ort der Bildung als Treffpunkt für Menschen weiterbauen.
Arbeiten im Sinne einer engagierten Museumskultur ist bereichernd, es erweitert den Horizont und bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Die Arbeit im Museum ist dadurch abwechslungsreich und macht es möglich, aktuelle Themen aufzugreifen und sich mit vielen anderen Organisationen auszutauschen. Es gibt sehr viele gesellschaftlich relevante Anknüpfungspunkte, um als Museum Haltung zu zeigen. Eine Herausforderung ist es, die Grenzen der Möglichkeiten des Museums zu erkennen, die richtige Auswahl zu treffen und mit Ressourcen verantwortungsbewusst umzugehen.
Credits und Zusatzinfos:
Fußnoten:
[1] Christian Hölzl, Franz Pichorner (Hg), Brauchen wir Museen?, Wien 2014, S. 108.
[2] ICOM Österreich (Hg), 17 Museen X 17 SDGs. Ein Handbuch, Wien 2022, S. 51.
[3] Vgl. Verein Museum Arbeitswelt (Hg), Fabrik wird Museum, Steyr 1986
[4] Petra Schneidewind, Controlling im Kulturbetrieb, Wiesbaden 2013, S. 128.
[5] Eva Fischer, Imagine Dignity, Jahrbuch Austria Kultur International, Wien 2023, S. 82.
Maria Vogeser-Kalt: Traumberuf Museum Worker – Kulturelle Gestaltungsverantwortung als Entwicklungsziel, in: neues museum 24/1-2, www.doi.org/10.58865/13.14/2412/6.
Fußnoten:
[1] Christian Hölzl, Franz Pichorner (Hg), Brauchen wir Museen?, Wien 2014, S. 108.
[2] ICOM Österreich (Hg), 17 Museen X 17 SDGs. Ein Handbuch, Wien 2022, S. 51.
[3] Vgl. Verein Museum Arbeitswelt (Hg), Fabrik wird Museum, Steyr 1986
[4] Petra Schneidewind, Controlling im Kulturbetrieb, Wiesbaden 2013, S. 128.
[5] Eva Fischer, Imagine Dignity, Jahrbuch Austria Kultur International, Wien 2023, S. 82.