Benediktinerstift Seitenstetten: Barocker Hauptsaal Stiftsbibliothek, Einbände mit weiß gekalktem Leder, Foto: Cleanhill Studios
Spirituelle Permanenz in räumlicher Entfaltung
Über den öffentlich-musealen Zugang zu Klostersammlungen in Niederösterreich
Von:
Theresia Hauenfels (wissenschaftliche Mitarbeiterin, Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften, Universität für Weiterbildung), Krems
Schon im 18. Jahrhundert wurden Sammlungen niederösterreichischer Stifte als Museen bezeichnet. [1] Ab dem 19. Jahrhundert breiteren Gesellschaftsschichten zugänglich gemacht, nahmen die Räumlichkeiten im 20. Jahrhundert zunehmend die uns heute vertraute Form von Stiftsmuseen an. [2] Impuls zur Neuordnung und -präsentation der musealen Bestände waren oft Jubiläen sowie das Format „Niederösterreichische Landesausstellung“. [3]
In pluribus unum
Bei einem Streifzug durch niederösterreichische Stiftsmuseen zeigt sich die bemerkenswerte Vielfalt, in der Klöster ihre Schätze mit der Außenwelt teilen. In den Dauerausstellungen verdeutlicht sich die Charakteristik der jeweiligen Orden. Noch mehr als in Sonderausstellungen, die temporär Akzente setzen, findet in der permanenten Schau das klösterliche Charisma Eingang. Die Geisteshaltung der spirituellen Gründer wie auch der Persönlichkeiten, die den jeweiligen Sammlungen ihr Profil verliehen haben bzw. das Kultur- und Wissenschaftserbe als Kustod:innen betreuen, lässt sich durchaus auch am entsprechenden Präsentationsmodus ablesen. Weiters manifestieren sich verschiedene Optionen, in welchem Ausmaß der Rundgang bei Besuchen begleitet wird. Während etwa die Benediktinerstifte Altenburg und Melk auch ohne geführte Tour Zutritt zu den Schauräumen gewähren, ist zum Beispiel bei den Augustiner-Chorherren im Stift Herzogenburg der Museumseintritt an eine Führung gekoppelt, wobei man (wie auch im Zisterzienserstift Lilienfeld) zu den angebotenen Zeiten sogar als Einzelperson durch die Räumlichkeiten geleitet wird, die im Jahr 2012 anlässlich des 900-Jahr-Jubiläums unter dem Motto „Zeit und Ewigkeit“ [4] konzipiert wurden. „Leitidee war dabei, die klösterliche Sammlungstradition zu visualisieren“, wie Helga Penz resümiert. [5] Einen subtilen Rekurs auf die Geschichte der Zwettler Sammlungen schuf Stiftsarchivar Andreas Gamerith mit dem 2016 eröffneten Schaudepot im Oratorium. Schon ursprünglich bei seiner Errichtung 1722 war dem Raum die Funktion zugedacht, die hauseigenen Kunstschätze zu zeigen. Die Neuaufstellung greift diese historische Nutzung wieder auf. [6]
In foro
Die Tradition des Sammelns wird auch in der Dauerausstellung des Benediktinerstifts Göttweig stark thematisiert. Ein kurzer Hinweis aus aktuellem Anlass: Kustos der Stiftssammlungen Bernhard Rameder spricht bei einer Tagung, die am 24. und 25. Oktober 2024 an der Universität für Weiterbildung Krems als 4. Heritage Science Austria Meeting in Kooperation mit den Landessammlungen Niederösterreich abgehalten wird, über „Das Göttweiger Kunst- und Naturalienkabinett. Veränderungen einer klösterlichen Sammlung zwischen Repräsentation und Wissenschaft“. Bei dieser Tagung, die das Erbe der Adels- und Klosterkultur aus sammlungswissenschaftlicher Perspektive zum Thema macht, befasst sich Anja Grebe, die in Krems eine Professur am Department für Kunst- und Kulturwissenschaften innehat, mit Spezifika geistlicher Sammlungskultur und somit auch über die Verquickung von spirituellen Motiven und wissenschaftlichem Anspruch. Dass die Hauptaufgabe der Orden bis heute im Religiösen und nicht im Musealen liege, unterstreicht Karin Mayer, Bereichsleiterin Kultur und Dokumentation der Ordensgemeinschaften Österreich, 2022 in einem Interview und erklärt weiter zur Bedeutung der Objekte als „Zeugnisse der Glaubensgeschichte, der Identität eines Ordens“: „Die Objekte sind sozusagen die ‚Corporate Identity‘ eines Ordens, sie sind Teil eines pastoralen und spirituellen Wirkens, und das spiegelt sich in den Sammlungen wider.“ [7] Und ebensolche Objekte sind Grundlage für Dauerausstellungen in Stiftsmuseen.
In loco
Die Musealisierung von Objekten impliziert zumeist den Wegfall ihrer bisherigen Verwendung, nicht aber unbedingt im geistlichen Kontext. Mit der Inszenierung liturgischer Objekte in einer Vitrine direkt im barocken Schrank der Sakristei, welcher bei der Führung geöffnet wird, hat das Benediktinerstift Seitenstetten ein authentisches Setting in der Dauerausstellung geschaffen. An anderen Orten permanenter Präsentation wird wiederum stärker auf räumliche Verdichtung gesetzt, wie zum Beispiel in der 2013 im Jubiläumsjahr umgestalteten Schatzkammer des Zisterzienserstifts Zwettl oder der 2017 neueröffneten Kunst- und Wunderkammer von Neukloster in Wiener Neustadt, der Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz zugehörig. [8] Eine Besonderheit stellt die Schatzkammer von Klosterneuburg durch die Aufbewahrung des Österreichischen Erzherzogshuts seit 1616 dar – Verkörperung der engen Verbindung dieses Augustiner-Chorherrenstiftes zum Haus Habsburg. Über diese Schatzkammer, „der älteste Teil der Stiftssammlungen, der systematisch geordnet war“, schreibt Kirchenhistoriker Floridus Röhrig im Jahr 1982: „Aus räumlichen Gründen ist die Schatzkammer für Führungen nicht zugänglich. Ihre Objekte werden jedoch häufig auf Ausstellungen gezeigt.“ [9] Die prunkvollen Stücke der Schatzkammer genießen heute eine größere Zugänglichkeit durch ausgedehntere Öffnungszeiten als das Stiftsmuseum, in dem auf zwei Ebenen die Klosterneuburger Kunstsammlungen untergebracht sind.
Kurzer Nachtrag: Wolfgang Huber, seit 2016 deren Kustos, hat mit seinem Aufsatz „Universalität und europäischer Rang“ [10] einen überaus informationshaltigen Überblick zu österreichischen Stiftsmuseen und ihren Sammlungen publiziert. Auch die Zeitschrift Die Stellwand widmete ihre Ausgabe 2/2012 mit „Glauben ausstellen. Sakrales Kulturgut bewahren und zeigen“ dem Thema einen eigenen Schwerpunkt, wie auch die bereits zitierte Ausgabe 3/2018 von neues museum unter dem Titel „Das interreligiöse Museum“.
In absentia
In den für Stiftsbesuche zugänglichen Bereichen werden nicht immer alle Sammlungen der Allgemeinheit präsentiert. Beispiel hierfür wäre Stift Seitenstetten, das seine Sammlung barocker Kunst im Museum permanent zeigt, während die Mineraliensammlung im Naturalienkabinett – anders als zum Beispiel in Melk – nur für wissenschaftliche Zwecke zugänglich ist. In einem Vortrag bei der Heritage Science Austria-Tagung im Oktober 2024 greifen Mathias Weis, Kustos der naturhistorischen Sammlungen von Seitenstetten, und Pater Benedikt Resch das Potenzial dieser Sammlungen für kultur- und naturwissenschaftliche Forschung auf. [11] Die Zeugnisse des wissenschaftlichen Interesses von Ordensmitgliedern verbleiben jedoch nicht immer vor Ort; hier sei auf das Schaffen des Zisterziensers Dominik Bilimek (1813–1884) verwiesen, u. a. Kapitular von Neukloster, später Heiligenkreuz, dessen Sammlung die Bereiche Archäologie, Zoologie sowie Erdwissenschaften umfasste und heute teils an der Universität für Bodenkultur Wien aufbewahrt wird. [12] Mit dem Verlust von Sammlungen, wovon etwa die Zisterzienserabtei Stift Lilienfeld in der Geschichte durch eine Akkumulation gefährdender Ereignisse besonders betroffen war, [13] entstehen Vakanzen, wobei das Benediktinerstift zu Altenburg den Weg fand, durch private Initiativen (seit 2018 Leihgabe Sammlung Arnold zu Barockkunst sowie seit 2021 Schenkung Sammlung Sainitzer zu Andachtsbildchen) geschichtlich bedingte Fehlstellen im Sammlungsbestand zu kompensieren.
In aeternum
Unabhängig vom jeweiligen Ausbau der touristischen Infrastruktur dahinter erzeugen niederösterreichische Stifte nachhaltige Museumserlebnisse. Die Dauerausstellungen der zeitlos beliebten Ausflugsdestinationen tragen relevant zur Sicherung des Fortbestands des Wissens bei, das in Klöstern seit Jahrhunderten generiert wird. Der Wert der Sammlungen bemisst sich über die rein materielle Seite hinaus an seinem spirituellen Kontext. Dank eines musealen Zugangs zu ihrer Klosterkultur tradieren Stifte elementare Wertvorstellungen und erreichen damit auch Menschen, deren Alltag nicht mehr von religiösen Ritualen geprägt ist.
Credits und Zusatzinfos:
Fußnoten
[1] Vgl. Anja Grebe, „Objekt@Wissen. Die barocke Kunstkammer von Stift Göttweig“, in: Jörn Münkner, Maximilian Görmar, Joëlle Weis (Hg.), Sammlung und Netz. Theoretische und Praxeologische Implikationen, Wolfenbüttel 2024, https://doi.org/10.15499/kds-006-005 (9.8.2024).
[2] Vgl. Hermann Steininger, „Geschichte und Entwicklung niederösterreichischer Museen und Sammlungen – Ein Abriß“, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 54–55/1990, S. 333–347.
[3] Vgl. Regina Stein, Österreichische Landesausstellungen. Entstehung, Funktion & regionale Bedeutung, Frankfurt am Main 2016.
[4] Vgl. 900 Jahre Stift Herzogenburg – Zeitzeuge der Ewigkeit, St. Pölten, Salzburg, Wien 2012.
[5] Helga Penz, „Vom Kloster zum Museum und zurück“, in: neues museum 3/2018, S. 56–59, hier S. 58.
[6] Eröffnung eines Schaudepots im Stift Zwettl, www.zwettl.gv.at/Eroeffnung_eines_Schaudepots_im_Stift_Zwettl (30.7.2024)
[7] Interview Eva-Maria Gärtner und Karin Mayer, in: Denkmal heute 2/2022, S.45.
[8] Vgl. Folder Kunstkammer & Naturalienkabinett Stift Neukloster, konservierung-restaurierung.uni-ak.ac.at/wp-content/uploads/2019/09/folder2019.pdf (30.7.2024).
[9] Floridus Röhrig, „Die Kunstsammlungen des Stiftes Klosterneuburg“, in: Österreichs Museen stellen sich vor 16/1982, S. 7–15, hier S. 12.
[10] Wolfgang Huber, „Universalität und europäischer Rang – die Sammlungen österreichischer Stiftsmuseen“, in: das münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 3/2008, Sonderheft 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen & Schatzkammern, S. 261–263.
[11] Vgl. auch: Armin Laussegger/Sandra Sam, „Erbe der Klosterkultur. Sammlungswissenschaften im Stift Seitenstetten“, in: Diess. (Hg.), Im Bestand. Sammlungswissenschaftliche Einblicke. Tätigkeitsbericht der Landessammlungen Niederösterreich und des Zentrums für Museale Sammlungswissenschaften (= Veröffentlichungen aus den Landessammlungen Niederösterreich Nr. 10), St. Pölten 2024, S. 177–183.
[12] Vgl. dazu der Vortrag von Petra Lukeneder, Franz Ottner, Brigitta Mader, Eduardo Corona beim „4. Heritage Science Austria Meeting“ 2024. Ebenfalls in der Sektion „Sammlungen der Klosterkultur“ werden am 24. 10 2024 Pater Roman Nägele als Kustos über die Kunstsammlung Stift Heiligenkreuz und Martin Baer vom Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften Krems über „Das Eligius-Projekt: ein digitales Portal zur Erschließung klösterlicher Münzsammlungen“ referieren.
[13] Vgl. Felix Vongrey, „Stift Lilienfeld“, in: Österreichs Museen stellen sich vor 16/1982, S. 27–34.
Fußnoten
[1] Vgl. Anja Grebe, „Objekt@Wissen. Die barocke Kunstkammer von Stift Göttweig“, in: Jörn Münkner, Maximilian Görmar, Joëlle Weis (Hg.), Sammlung und Netz. Theoretische und Praxeologische Implikationen, Wolfenbüttel 2024, https://doi.org/10.15499/kds-006-005 (9.8.2024).
[2] Vgl. Hermann Steininger, „Geschichte und Entwicklung niederösterreichischer Museen und Sammlungen – Ein Abriß“, in: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 54–55/1990, S. 333–347.
[3] Vgl. Regina Stein, Österreichische Landesausstellungen. Entstehung, Funktion & regionale Bedeutung, Frankfurt am Main 2016.
[4] Vgl. 900 Jahre Stift Herzogenburg – Zeitzeuge der Ewigkeit, St. Pölten, Salzburg, Wien 2012.
[5] Helga Penz, „Vom Kloster zum Museum und zurück“, in: neues museum 3/2018, S. 56–59, hier S. 58.
[6] Eröffnung eines Schaudepots im Stift Zwettl, www.zwettl.gv.at/Eroeffnung_eines_Schaudepots_im_Stift_Zwettl (30.7.2024)
[7] Interview Eva-Maria Gärtner und Karin Mayer, in: Denkmal heute 2/2022, S.45.
[8] Vgl. Folder Kunstkammer & Naturalienkabinett Stift Neukloster, konservierung-restaurierung.uni-ak.ac.at/wp-content/uploads/2019/09/folder2019.pdf (30.7.2024).
[9] Floridus Röhrig, „Die Kunstsammlungen des Stiftes Klosterneuburg“, in: Österreichs Museen stellen sich vor 16/1982, S. 7–15, hier S. 12.
[10] Wolfgang Huber, „Universalität und europäischer Rang – die Sammlungen österreichischer Stiftsmuseen“, in: das münster. Zeitschrift für christliche Kunst und Kunstwissenschaft 3/2008, Sonderheft 50 Jahre Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Museen & Schatzkammern, S. 261–263.
[11] Vgl. auch: Armin Laussegger/Sandra Sam, „Erbe der Klosterkultur. Sammlungswissenschaften im Stift Seitenstetten“, in: Diess. (Hg.), Im Bestand. Sammlungswissenschaftliche Einblicke. Tätigkeitsbericht der Landessammlungen Niederösterreich und des Zentrums für Museale Sammlungswissenschaften (= Veröffentlichungen aus den Landessammlungen Niederösterreich Nr. 10), St. Pölten 2024, S. 177–183.
[12] Vgl. dazu der Vortrag von Petra Lukeneder, Franz Ottner, Brigitta Mader, Eduardo Corona beim „4. Heritage Science Austria Meeting“ 2024. Ebenfalls in der Sektion „Sammlungen der Klosterkultur“ werden am 24. 10 2024 Pater Roman Nägele als Kustos über die Kunstsammlung Stift Heiligenkreuz und Martin Baer vom Zentrum für Museale Sammlungswissenschaften Krems über „Das Eligius-Projekt: ein digitales Portal zur Erschließung klösterlicher Münzsammlungen“ referieren.
[13] Vgl. Felix Vongrey, „Stift Lilienfeld“, in: Österreichs Museen stellen sich vor 16/1982, S. 27–34.