Betätigungsfelder gibt es viele
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Ohne ihr persönliches Engagement wäre die tägliche Museumsarbeit gar nicht möglich
Von: Philipp Odelga (Universität Graz), Graz

Das Stadtmuseum Judenburg ist 1948 vom Judenburger Museumsvereins eingerichtet worden und hat durch Ankauf, Schenkung und Leihgaben eine umfangreiche Schausammlung sowie ein Schriften- und Bildarchiv zur Geschichte von Stadt und Region aufgebaut. Seit damals ist das Museum kontinuierlich gewachsen und hat sich zu einer vielfältigen wissenschaftlichen Institution entwickelt, die auch Kulturraum und Ort des regionalen Gedächtnisses und der Kommunikation ist. Wie in einem Großteil der österreichischen Museen sind auch hier Geld- und Platzmangel ein großes Thema. Zentraler Bestandteil der Museumsarbeit sind deshalb die ehrenamtlichen Mitarbeiter, die hier gemeinsam mit dem zweiköpfigen Museumsstab sammeln, erforschen, bewahren und ausstellen und den Charakter des Hauses prägen.

Von außen betrachtet ist das Stadtmuseum Judenburg mit den massigen Mauern und den Gittern vor Fenstern und Tür ein eher abweisendes Gebäude. Sobald die schwere Tür hinter dem Besucher mit sattem Geräusch ins Schloss fällt, fühlt man sich aber sofort wohl. Freundliches Licht und helles Holz bestimmen den Innenraum, der zunächst gar nicht an ein Museum erinnert. Links geht’s zu Direktor Michael Schiestl, rechts in die Bibliothek, geradeaus führt ein Gang ins unbestimmte Innere des Hauses in Richtung Sammlung. Dass sich dort rund 8.000 Objekte von der Früh- bis zur Zeitgeschichte finden, würde man eigentlich nicht vermuten. Vielleicht ist es auch deswegen gut, dass die Besucher es direkt mit den Menschen des Museums zu tun bekommen.

Betätigungsfelder gibt es viele

Einer dieser Menschen ist Isolde Fluch, Sekretärin, Koordinatorin und ganz allgemein wandelndes administratives Zentrum des Hauses: Mit einem strahlenden Lächeln begrüßt sie mich: „Philipp, komm herein, schön dass du da bist!“ Auch schon da sind Gerhard Emmersdorfer und Rainer Zemanek, zwei Vertreter des etwa 10-köpfigen Teams von ehrenamtlichen Mitarbeitern, die unter der Anleitung von Michael Schiestl und Isolde Fluch die Arbeit des Hauses ganz wesentlich mittragen. Ohne ihr persönliches Engagement wäre die tägliche Museumsarbeit gar nicht möglich, sagt Direktor Michael Schiestl, dem wichtig ist, dass sich die Helfer auch zu einem Stück selbst verwirklichen können. „Es gibt im Museum viele Bereiche bei denen wir Hilfe benötigen, von der Objektaufnahme bis zur Deakzession. Wir geben zwar vor wie die einzelnen Aufgaben erledigt werden müssen, aber wir schreiben niemandem vor womit er sich beschäftigen soll.“

Freiwilligkeit ist also oberstes Gebot, Betätigungsfelder gibt es viele. Neben der Schausammlung besitzt das Stadtmuseum eine umfangreiche Plakat- und Postkartensammlung, rund 400 Schuber mit Schriftquellen zu Handwerk, Gewerbe und Industrie, dem Vereinsleben der Stadt und zur Geschichte der Kirchen und Klöster, ein reichhaltiges Personen- und Künstlerarchiv, die Akten des Gemeindearchivs vor 1945, u.v.a.m. – ein Schlaraffenland für jeden der sich für „früher“ interessiert und Ausgangspunkt für Ausstellungsideen. Ein Glanzstück des Museums ist die Fotosammlung, die durch die Nachlässe früherer Berufsfotografen auf fast 70.000 Stück angewachsen ist und deren systematische Aufarbeitung derzeit einen Großteil der ehrenamtlichen Aufmerksamkeit erfordert. Etwas Besonderes ist auch die große Sammlung an Partezetteln, die vor allem für den Bereich der Familienforschung eine wichtige Rolle spielt, einem „Wachstumsmarkt“ im Aufgabenportfolio des Hauses, das für viele Menschen erste Anlaufstelle auf der Suche nach der eigenen Vergangenheit und familiären Identität ist.

Kommunikationsraum

Wichtigster Kommunikationsraum für die tägliche Arbeit ist die Fachbibliothek mit ihren knapp 5.000 Büchern und Periodika, in der sich auch die Arbeitsplätze der ehrenamtlichen Mitarbeiter befinden. Hier ist heute Rainer Zemanek am Werk. Bis 2010 war der 68jährige praktischer Arzt in Judenburg, seit 2016 hilft er hier mit und ist damit einer der „Neulinge“ im Team. Mit dem Haus ist er schon lange verbunden, seit 30 Jahren ist er Mitglied des Museumsvereins, der das Museum 1948 eingerichtet hat. Die Arbeit hier gefällt ihm. Früher habe er nie wirklich Zeit gehabt sich aktiv einzubringen, das hole er jetzt nach. Vor ihm liegen mehrere Stapel mit Büchern, die frisch ins Museum gebracht worden sind und jetzt gesichtet, aussortiert und gegebenenfalls in den Bestand der Bibliothek aufgenommen werden müssen. Mittlerweile Routine für Rainer Zemanek: „Das geht eigentlich laufend so. Wir kriegen unglaubliche Mengen an Büchern geschenkt, in erster Linie Fachliteratur, aber auch viel Belletristik.“ Zur Ausrichtung der Bibliothek würde die natürlich nicht so passen, aber die Bücher wegzugeben fällt ihm schwer.

Passende Neuzugänge erhalten eine Signatur, die bibliographischen Angaben kommen in den elektronischen Katalog. Bis zu einem gewissen Grad ist die Aufnahme auch eine Platzfrage, die Ordnung nach Sachgruppen erfordert es, dass manchmal nachgeräumt und auch Platz geschaffen werden muss. Die Arbeit in der Bibliothek ist schon die zweite Station für Rainer Zemanek, davor hat er sich mit der Plakatsammlung beschäftigt, die Bücher gefallen ihm aber besser. Beim Rundgang durch die Schausammlung reden wir über die Aufgaben des Museums. „Für mich ist es eine Institution, die der Bevölkerung die Geschichte der Region näher bringen soll.“ Gut gelungen ist das seiner Meinung nach beim Bereich Handwerk und Handel. Im obersten Stockwerk des Museums kann man in die Lebenswelt des 19. und 20. Jahrhunderts eintauchen, einzelne Geschäfte sind mit Waren, Werkzeug und Ladenschildern nachgestellt. „Man kann sich hier gut vorstellen wie die Menschen früher gelebt haben und wie ihr Alltag ausgesehen hat“, ist Zemanek davon angetan, dass hier nicht große historische Persönlichkeiten thematisiert werden, sondern Handwerker, Bauern und die bürgerliche Sachkultur. Seine Arbeit sieht er als kleinen Beitrag, das Museum am Laufen zu halten. Anstrengend findet er es nicht, im Gegenteil. „Es gibt ja keine Bürostunden“, lacht er und widmet sich wieder seinen Büchern.

Credits und Zusatzinfos: 
Foto: Philipp Odelga
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