Die Einrichtung von THE LOUNGE wurde insgesamt drei Mal (mit einigen Anpassungen) wiederaufgebaut; Foto: Südtiroler Archäologiemuseum/FlipFlop Collective
Klimasünder Museum
Jedes Museum steht vor sehr spezifischen Konservierungsaufgaben. Als Direktorin eines Museums, das allein für den Betrieb der Konservierungsanlagen für sein berühmtestes Objekt über 245.000 kWh Energie im Jahr verbraucht, kann ich ein Lied davon singen. Die Rede ist von der weltweit einzigartigen Gletschermumie Ötzi und die 24/7-Kühlung ihrer Zelle auf -6 Grad kostet viel Energie. Und das wird in absehbarer Zeit auch so bleiben.
Die neue ICOM-Definition von 2022 spricht den Museen ganz klar eine aktive Rolle zu: „… museums foster diversity and sustainability“. Wir Museen sind also aufgefordert, nicht nur als Bildungseinrichtungen Nachhaltigkeitsbewusstsein zu fördern, sondern unseren eigenen Ressourcenverbrauch kritisch unter die Lupe zu nehmen.
Wenn wir Museen hingegen an den SDGs (Sustainable Development Goals) der Vereinten Nationen messen, dann ist das Bild schon differenzierter. Museen tragen zweifelsfrei zu hochwertiger Bildung bei, sind häufig Träger von Forschung und damit von Innovation, gelten als Institutionen mit hoher Glaubwürdigkeit. Neueren Studien zufolge können Museumsbesuche zu Gesundheit und Wohlbefinden beitragen, Ängste mindern, Identitäts- und Selbstbewusstsein fördern sowie sozialer Isolation vorbeugen. [3] Manche Museen, in erster Linie naturkundliche Häuser und Science Center, tragen zudem aktiv zum Umwelt- und Artenschutz bei, indem sie Aufklärung betreiben, gezielte Forschungsprojekte initiieren und Partnerschaften mit anderen Institutionen eingehen, um eine größere Breitenwirkung zu erzielen. Wo gibt es den größten Aufholbedarf bei den Museen?
Hoher Energieverbrauch für Konservierung von Sammlungen, viel Fläche in historischer Bausubstanz, hoher Ressourcenverbrauch für Wechselausstellungen fallen mir da als Erste ein. Manche Museen haben auch in puncto prekäre Arbeitsverträge und übertrieben hierarchische Führungsstrukturen noch so manche Hausaufgabe zu machen.
Nachhaltigkeit braucht Mut und Struktur
Aber wie kommen wir von der Erkenntnis ins konkrete Handeln? Ein erster Schritt könnte es sein, Personen namhaft zu machen, die systematisch alle Aspekte der Nachhaltigkeit beleuchten und die Museumsarbeit sowie die Strukturen auf Verbesserungspotenzial abklopfen. Unser Träger, der Betrieb Landesmuseen, hat vor Kurzem im eigenen Personalbestand eine Nachhaltigkeitsbeauftragte gesucht, gefunden und umgehend ausgebildet. Sofia Steger vom Landesmuseum Bergbau soll innerhalb der Südtiroler Landesmuseen ein Netzwerk an engagierten Mitarbeiter:innen aufbauen, das wiederum die Südtiroler Landesmuseen Schritt für Schritt zu mehr Nachhaltigkeit führen soll.
2023 wurden alle Südtiroler Landesmuseen einem Energie-Check unterzogen. Ein Experte analysierte den Verbrauch der einzelnen Häuser und entwickelte konkrete Vorschläge, wie die Museen ihren Energieverbrauch optimieren können. Erste Schritte auf einem langen Weg.
Doch der Nachhaltigkeitsgedanke ist schon länger in unserer musealen Praxis angekommen. Seit geraumer Zeit entwickelt das Südtiroler Archäologiemuseum im Schnitt nur alle zwei Jahre eine Sonderausstellung, die im Regelfall zwölf Monate lang gezeigt wird. Dazwischen wird der freie Bereich jeweils ein Jahr lang mit einer wiederverwendbaren „Zwischenlösung“ bespielt, z. B. THE LOUNGE, welche vom Publikum mit Enthusiasmus angenommen wurde. So werden Ressourcen geschont: menschliche, finanzielle und bauliche. Auch ist es bereits Praxis, Elemente von vorhergehenden Wechselausstellungen systematisch wiederzuverwenden. Seit Kurzem werden Ausstellungselemente bereits mit Fokus auf Recyclingfähigkeit entwickelt. Neu streichen, neu bekleben, wieder einbauen. Mit etwas gutem Willen und Kreativität eignen sich Ausstellungsmodule, nicht nur Vitrinen, durchaus fürs Upcycling.
Kann KI uns retten?
Wie hoch ist der Altersdurchschnitt Ihrer Belegschaft? Fest steht, in den nächsten 10 bis 20 Jahren werden sich große personelle Abgründe vor uns auftun, dafür reicht ein Blick auf die Demografie Mitteleuropas. Der sich schon jetzt abzeichnende Personalmangel zwingt uns dazu, die menschliche Arbeitskraft mit immer mehr Bedacht einzusetzen. Seit einigen Monaten zieht der erste industrielle Staubsaugerroboter im Südtiroler Archäologiemuseum seine abendlichen Runden. Und er wird nicht der einzige bleiben.
Der eine oder die andere fragt sich bereits: Wen von uns wird die KI als Erstes ersetzen? Ich gebe zu, ich habe aus Jux schon eine Eröffnungsrede von ChatGPT entwerfen lassen. Fazit: Habe schon schlechtere Reden gehört. Noch ist deutlich Luft nach oben, aber ich bin überzeugt, dass wir uns im musealen Alltag schon sehr bald mit vielen neuen Anwendungsmöglichkeiten von KI befassen werden. Aus der Museumsbelegschaft muss aber wohl so schnell niemand um seine Stelle fürchten.
Vermittlung ohne Menschen, undenkbar! Aber wenn wir ehrlich sind, gehören Audioguides schon ewig zum Museumsalltag. Und wir stellen letzthin sogar eine erhöhte Nachfrage nach Audioguides fest. Seit 2022 hat der Audioguide-Verleih die Anzahl der geführten Besuchenden überholt. KI-gesteuerte Audioguides können sich vielleicht schon bald an die Bedürfnisse der Nutzenden anpassen, auf unendlich viele Fragen eingehen und das in Dutzenden oder gar Hunderten von Sprachen. Ich gebe zu, der Gedanke klingt verlockend.
Aber die wichtigste Frage bleibt: Wie gelingt es uns, den Ressourcenverbrauch der Museen einzudämmen, zugleich unseren musealen Aufgaben weiter gerecht zu werden und auf gesellschaftliche und globale Entwicklungen adäquat zu reagieren? Voraussichtlich wird es kein „höher, schneller, weiter“ mehr geben. Vielleicht können wir uns stattdessen auf ein „reflektierter, konzentrierter, nachhaltiger“ einigen.
Credits und Zusatzinfos:
Anmerkungen
Anmerkungen
1 Arts Council England, Culture, Climate and Environmental Responsibility. Annual Report 2019–20 (PDF) (10.04.2024).
2 Eurostat, Statistic Explained, Culture statistics – cultural enterprises 2021, 2023, (10.04.2024).
Eurostat zählt weit mehr Bereiche zum Kultursektor (z. B. Verlagswesen und Architektur) als Arts Council England und kommt auf einen Anteil von nur 0,7 Prozent der Museen, Archive und Bibliotheken am gesamten Kultursektor (2021).
Eurostat zählt weit mehr Bereiche zum Kultursektor (z. B. Verlagswesen und Architektur) als Arts Council England und kommt auf einen Anteil von nur 0,7 Prozent der Museen, Archive und Bibliotheken am gesamten Kultursektor (2021).
3 Helen Chatterjee & Paul Camic, „The health and well-being potential of museums and art galleries“, in: Arts & Health: An International Journal for Research, Policy and Practice (2015) 7 (3), S. 183–186.