
Das Museum erweitern live ...
Das erweitere Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus ...
Von:
Brigitte Neichl (Museumsleiterin, Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus), Maurizio Giorgi (Öffentlichkeitsarbeit und wissenschaftliches Service, Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus), Wien
›Ihr seid ja ganz schön präsent im Netz!‹ – Diese und ähnliche Aussagen wurden gerade in der letzten Zeit sehr häufig von verschiedenen Stellen an das Museum herangetragen.
Bezirksmuseen gelten gemeinhin nicht als Hort der Innovation. Eher schon als verschlafen, verstaubt, im besten Fall als „rührig“. Man erwartet eine Ausstellung zur Geschichte und zu Persönlichkeiten des Bezirks, vielleicht noch Musikabende, Kunstausstellungen von (Hobby-)Künstlerinnen und Künstlern sowie Antworten auf spezielle bezirkshistorische Fragen. Aber das ist noch lange nicht alles, was Bezirksmuseen in Wien zu bieten haben! Von einem dieser historischen Schmuckkästchen soll hier die Rede sein. Das Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus sieht sich seit Langem als Vertreter des „erweiterten Museums“.
Unter „erweitertes Museum“ verstehen Franken-Wendelstorf/Greisinger/Gries u. a. Aspekte der Digitalisierung in Museen. Ein Museum ist heute mehr als eine Ausstellungsfläche innerhalb eines Raumes, die nur zu den Öffnungszeiten besichtigt werden kann. „Erweiterte Museen“ vermitteln ihr Wissen jederzeit auch im Internet, betreiben Storytelling über Social Media, bieten digitale Elemente in ihren Schauräumen und erklären Hintergründe in Blogbeiträgen. Sie bleiben somit immer in Verbindung zu ihren „Fans“. Das freut auch alle Personen, die entweder im Ausland leben oder denen es aus bestimmten Gründen nicht möglich ist, ins Museum zu kommen.
Das Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus bezieht den Begriff „Erweiterung“ aber nicht nur auf den digitalen Bereich, sondern meint auch die Ausweitung über den sonst üblichen Besucher:innenkreis von Personen ab 50 Jahren aufwärts. Durch spezielle Angebote wie Open Mic Nights (Kleinkunstbühne für alle), einen eigenen Podcast und Kleidertauschpartys wird auch die junge Generation angesprochen und betritt dabei oft zum ersten Mal ein Bezirksmuseum.
WIENfünfzehn, der Blog des Bezirksmuseums
Ein Blog ist ein Tagebuch im Internet. Geschichten zu Orten, Personen oder Gebäuden können dadurch vertieft werden. Das „Bild des Monats“ bietet historische Schmankerln aus dem Sammlungsbestand. Die Rubrik „History & Crime“ befasst sich mit historischen Kriminalfällen im 15. Bezirk um 1900. Unter FAQ15 erfahren die Leser:innen Wissenswertes aus Vergangenheit und Gegenwart von Rudolfsheim-Fünfhaus.
Social Media – neue Zielgruppen gewinnen
Mit Facebook, Instagram oder Twitter genau den Nerv einer Zielgruppe zu treffen, sorgt für spannende Wissensweitergabe – gerade bei Personen, die ein Museum eher als eintönig empfinden. Historisches Wissen lässt sich so abwechslungsreich – mal ernst, mal witzig, mal spielerisch – anbieten. Wenn ein Beitrag gut ankommt, verbreitet er sich digital unter Freunden weiter. Die Auswahl von Hashtags erreicht bestimmte Zielgruppen. Dieses speziell interessierte Publikum kann zudem für einen gemeinsamen Wissensaustausch mit dem Museum förderlich sein.
Podcast: Fünfzehn Minuten über den Fünfzehnten
Ein Podcast ähnelt einer Radiosendung. Die Audio- oder Videodatei kann im Internet jeder- zeit gratis abgerufen und angehört werden. Menschen, die aus diversen Gründen nicht direkt ins Museum kommen können, haben so die Chance, am Bezirksgeschehen teilzuhaben und ihr Wissen über den Bezirk zu erweitern. Das Bezirksmuseum des 15. Wiener Gemeindebezirks veröffentlicht seit Februar 2019 an jedem 15. des Monats unter dem Titel Fünfzehn Minuten über den Fünfzehnten eine Podcast-Folge über Menschen und Themen aus diesem Bezirk. Das Museum lädt an diesem Tag auch in seine Räume ein, um sich gemeinsam die neue Folge anzuhören. Bei Getränken und Snacks lernen sich Interessierte in lockerer Atmosphäre kennen und es entsteht Raum für Ideen und Kooperationen.
Sammlung digital zur Verfügung stellen
Im Bezirksmuseum Rudolfsheim-Fünfhaus in Wien ist es für Besucher:innen möglich, an einem iPad die eingescannte Fotosammlung einzusehen. Zur Recherche kann das gewünschte Bildmaterial auch über einen mitbrachten USB-Stick weitergegeben werden.
Planung, Zeit und Ressourcen
Das Bezirksmuseum verbreitet mit dem Tool „RecurPost“ Blogbeiträge regelmäßig im Internet. Diese werden nur einmal eingegeben, danach wird Content automatisch „ins Netz geschickt“. Vor allem für Facebook gilt es, Zielgruppen zu finden, die sich speziell für (Bezirks-)Geschichte interessieren, z. B. „Historisches Wien“. Oft wird ein Beitrag von 1.000 Leserinnen und Lesern gesehen und es gibt 50 bis 100 Interaktionen. Damit die Kommunikation im Internet gelingt, muss bedacht werden, über wie viel Zeit die Mitarbeiter:innen verfügen, denn der Job in den Bezirksmuseen ist ehrenamtlich. Auch die finanziellen Mittel sind – anders als bei staatlichen oder privat geführten Museen – äußerst bescheiden.
Dies versucht das Museum mit Kreativität und Engagement der Mitarbeiter:innen auszugleichen. So widmet sich die ehren- amtliche Mitarbeiterin und Schriftstellerin Barbara Büchner der Erforschung historischer Kriminalfälle im heutigen 15. Wiener Gemeindebezirk um 1900. Die Ergebnisse ihrer Recherchen wer- den zu gern gelesenen Blogartikeln, Publikationen in der museumseigenen Reihe „Edition Bezirksmuseum 15“ und zu Vorträgen.
Ganz im Sinne des Storytellings hat sich Büchner auch eines besonders geheimnisvollen Falles angenommen, vom dem es nur ganz wenige Informationen gibt. In Form von „Historical Fiction“ hat Barbara Büchner rund um die belegten historischen Fakten eine fiktionale Geschichte rund um das „Geheimnis der Schwarzen Weste“ verfasst, die Broschüre erscheint 2020 in der Edition Bezirksmuseum 15.
QR-Codes im Museum
Auch im Museum selbst können elektronische Medien für mehr Abwechslung, Interaktion und spielerische Vermittlung von Wissen sorgen. Das Stadtmuseum im Fembo-Haus in Nürnberg stellt Besucherinnen und Besuchern beispielsweise einen Medienguide zur Verfügung.
Eine derartige Investition ist für das Bezirksmuseum Rudolfs- heim-Fünfhaus nicht möglich, aber: 2020 sollen an einzelnen Stationen im Museum QR-Codes angebracht werden, mit deren Hilfe die Besucher:innen mit ihren eigenen Mobiltelefonen Informationen zu den Ausstellungsstücken erhalten können – ganz im Sinne von Bring your own device (BYOD). Dadurch bleiben die Kosten fürs Museum gering.
Fiktive Interviews als neue Form der Geschichtsvermittlung
Elisabeth Biedermann, Gründerin vom Theater des Wandels, nennt beispielsweise das fiktive historische Interview mit dem Arbeiterdichter Alfred Petzold (1882–1923) eine „spannende Initiative vom lebendigsten und innovativsten Bezirks- museum Wiens“. Nachzuhören ist das Interview auf unserer Webseite. Dort sind auch alle bisherigen Episoden zu finden.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass auch kleine und ehrenamtlich geführte Museen etliche Möglichkeiten haben, sich als erweiterte Museen zu etablieren. Fehlende finanzielle Mittel können durch Ideenreichtum, Kreativität und persönlichen Einsatz ausgeglichen werden. Ein tatkräftiger Sponsor könnte natürlich helfen, die eine oder andere zusätzliche Idee umzusetzen.
Credits und Zusatzinfos:
Fotos: Ouriel Morgensztern / MÖ
Literaturtipp
Regina Franken-Wendelstorf, Sybille Greisinger, Christian Gries und Astrid Pellengahr: Das erweiterte Museum. Medien, Technologien und Internet, 2019.
Regina Franken-Wendelstorf, Sybille Greisinger, Christian Gries und Astrid Pellengahr: Das erweiterte Museum. Medien, Technologien und Internet, 2019.
Fotos: Ouriel Morgensztern / MÖ