Ausstellungsansicht „A Few Degrees More". Kuratierte Intervention im Rahmen der Ausstellung „Wien 1900. Aufbruch in die Moderne" im Leopold Museum © Leopold Museum, Wien / Foto: Andreas Jakwerth
Ausstellungen: nachhaltig!
Von:
Stefanie Dowidat, Stuttgart
Ausstellungen der Zukunft richten sich auf eine neue Art des Verbrauchs aus: weg von der Verzichtsdebatte, hin zu einem intelligent-nachhaltigen Umgang mit Ressourcen. Eine wichtige Rolle spielen dabei Innovationen, langfristiges Denken und Handeln, starke Partner:innen und vor allem eine klare Haltung, mit der wir jetzigen und künftigen Herausforderungen wie gestiegene Baukosten, Rohstoff- und Fachkräftemangel, Energiekrisen etc. proaktiv begegnen. Das gemeinsame Suchen nach Lösungen und Optimierung ist dabei wichtig, ebenso die Freude an nachhaltigem Handeln.
Nachhaltige Ausstellungen sind Ausstellungen, die es in Zukunft ganz automatisch geben wird: Die Zukunft des Ausstellens geht nur ökologisch und sozial nachhaltig. Nachhaltig ausstellen bedeutet nicht, keine Ausstellung mehr zu machen, nachhaltiges Ausstellen bedeutet, klüger und bewusster auszustellen, Verbrauch zu reduzieren, nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, nicht nur mit Materialien, auch mit Zeit- und Budgetressourcen. Eine Ausstellung ist auch dann nachhaltig, wenn nachgedacht wird, was mit der Ausstellung danach passiert.
Nachhaltigkeit ist eine Haltung, die jedes Museumsteam für sich definieren muss, damit Handeln in den für jedes Museum individuellen Rahmenbedingungen optimiert werden kann. Nachhaltigkeit bedeutet nicht Verzicht, sondern kann auch Freude bereiten.
1 Nachhaltiges Ausstellen heißt zielorientiert handeln
Am Anfang einer Ausstellung geht es immer um Ziele: Die Ausstellung soll nachhaltiger werden, welche Ziele verbindet das Team denn damit? Dabei ist es wichtig, sich realistische Ziele zu setzen und nicht zu viele, damit diese erreichbar bleiben und die Frustration nicht überwiegt. Ziele sollten überprüfbar sein und auch überprüft werden. CO2-Reduktion kann ein Ziel sein oder ressourcenschonend zu arbeiten. Egal, welches Ziel gesetzt ist, für den Ausstellungsprozess muss mehr Zeit für Recherchen eingeplant werden. Die Beschaffung von nachhaltigen Ressourcen ist zeitaufwendig(er) und es braucht gute Partner:innen. Auch das Team muss sensibilisiert werden. Bei der Recherche ist darauf zu achten, ob es evtl. Förderungen oder Wirtschaftspartner gibt, die das Vorhaben unterstützen.
Praxisbeispiel: Kinderbiennale – Embracing Nature, Staatliche Kunstsammlungen Dresden
Im Zuge dieser Ausstellung diskutierten Team und Kinderbeirat über die Nachhaltigkeit des Digitalen. Grundsätzlich können an folgenden Stellschrauben gedreht werden kann: Ökostrom statt konventioneller Strom; wie häufig Daten müssen (hoch)geladen werden; wie aufgeräumt sind die Server; wie energieeffizient sind die Endgeräte; können die Endgeräte abgeschaltet werden; können Einzelteile ausgetauscht und repariert werden?
2 Exponatzentriert, statt themenfokussiert
Eine der größten CO2-Produzenten im Museumsalltag ist der Leihverkehr – Anlieferungen, Abholung, Kurierreisen. Hier muss die Frage gestellt werden: Leihen um jeden Preis? Die Auswahl der Exponate aus der eigenen Sammlung und insbesondere Leihexponate haben einen großen Einfluss auf die Emissionen von Ausstellungen. Wie werden diese transportiert? Womit – mit dem Flugzeug, LKW, E-Mobilität, Lastenrad, Zug? Wie werden sie ausgestellt? Benötigen sie eine aktive oder passive Klimatisierung? Wenn das Team sich gegen bestimmte Exponate entscheidet, wie wird das Thema erzählt? Gibt es inhaltliche Lücken, können sie durch andere Objekte oder Bilder ersetzt werden?
Praxisbeispiel: Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen, Museum Ludwig, Köln
Eco-Curating: Um Ressourcen zu schonen und CO2 zu minimieren, wurden u. a. ausschließlich Werke aus der eigenen Sammlung für die Ausstellung verwendet, Bilder aus anderen Sammlungen wurden reproduziert gezeigt. Die Besucher:innen im Gegensatz zu den Journalist:innen bewerteten dies überwiegend positiv.
Einige Museen gehen ganz oder teilweise mit Ausstellungen ins Digitale, aber auch hier gilt es zu bedenken, woher kommen die Ressourcen, welche Ressourcen werden genutzt.
Praxisbeispiel: Virtuelle Ausstellungen
- Brooklyn Museum, New York: The Queen & The Gambit
- Zeppelin Museum, Friedrichhafen: Debatorials
- Digitales Francisco Carolinum
- MAK – Museum für Angewandte Kunst, Wien: digiStories
3 Klimatisiert? Bilanziert!
Die größten Emissionsverbräuche fallen in den Bereichen Energie, Heizung/ Klimatisierung und Mobilität an. Eine kontinuierliche Datenerhebung dient der Ermittlung und Kontrolle des Ist-Standes der Kulturinstitutionen und ihrer Projekte und ist in größeren deutschen Museen bereits Vorschrift.
Die aktuelle Energiekrise führte dazu, dass der Deutsche Museumsbund im September 2022 eine Empfehlung zu Klimakorridoren für Exponate herausgab – mit erweiterten Schwankungsbreiten: 18 bis 26 Grad und 40 bis 60 % Luftfeuchte für Ausstellungen.
Praxisbeispiel: Stadtschloss Weimar
Das Team hat sich dazu entschlossen, die künftige Dauerausstellung nicht mit einer Klimaanlage zu bestücken. Empfindliche Objekte werden in Klimavitrinen untergebracht; so wird die CO2-Bilanz nach unten geschraubt.
Praxisbeispiel: Elf zu Null – Hamburger Museen handeln, Hamburger Museen
Auch hier hat sich der hohe CO2-Verbrauch der Mobilität von Menschen wie Objekten ebenso wie der hohe Energiebedarf bestätigt. Für die klimapositive Sanierung der Häuser müssen allerdings von Seiten der Fördergeber:innen und der Kulturpolitik Mittel bereitgestellt werden. Beeinflussen jedoch kann man die Mobilität der Objekte und der Besucher:innen!
Durch die Kulturstiftung des Bundes wurden 2021 Klimabilanzen in 19 deutschen Museen und Theatern erstellt. Anhand der Bilanzen konnten Maßnahmen erarbeitet werden, um die Emissionen zu verbessern.
Derzeit läuft zudem das Förderprojekt Fonds Zero: Damit möchte die Kulturstiftung Kultureinrichtungen darin unterstützen, klimaneutrale Produktionsformen und neue Ästhetiken einer ökologischen Nachhaltigkeit zu erproben und gemeinsam zu lernen, wie künstlerische Arbeiten mit geringstmöglicher Klimawirkung realisiert werden können.
Praxisbeispiel: Waste Age, Design Museum London
Neben dem klimaaktuellen Thema wurden in der Ausstellungsproduktion 95 % der CO2-Reduktionen im Vergleich zu anderen Ausstellungen eingespart.
4 Ressourcen schonen
Im Bereich des Ausstellungsbau lassen sich durch die Wahl der Materialien CO2 und Ressourcen sparen: weniger Neuware, recyclingfähige Produkte, Kunststoffe vermeiden, Wiederverwertbarkeit beachten.
Ein bewusster Umgang mit Material heißt, die Ressourcen bestmöglich zu nutzen, z. B. Materialbreiten und -größen zu kennen und damit keine Reste zu erzeugen. Auch Kenntnisse der Eigenschaften von Materialien sind wichtig, um sie bestmöglich einzusetzen. Was hält wie lange, was verfärbt sich, biegt sich durch etc. Umweltfreundlichkeit und Brandschutz sowie konservatorische Auflagen schließen sich leider oftmals aus.
Langlebige Materialien sind, auch wenn sie ggf. weniger umweltfreundlich hergestellt wurden, im in Ausstellungen denen vorzuziehen, die weniger lange halten und kurzfristig entsorgt werden müssen (z. B. Acrylglas). Recyclingfähige Materialien sind gegenüber Verbundmaterialien wie Aludibond bevorzugt einzusetzen, da diese schwer zu recyclen sind.
Welche Materialien den geringsten ökologischen Fußabdruck haben, zeigen verschiedene Zertifizierungen. Auf vielen Webseiten gibt es bereits Übersichten zu nachhalteigen Materialien, bspw. von WECOBIS. Ökologisches Baustoffinformationssystem, auf der Seite des Österreichischen Umweltzeichens oder auf der StuFF-Sammlung einiger deutscher und Schweizer Theater.
Im Sinne der Suffizienz kann der Materialverbrauch reduziert werden, auch wenn das manchmal gestalterisch schmerzt, dafür kann es auch Geld einsparen. Auch modulare Bauweise reduziert den Materialverbrauch, jedoch ist die Lagerung für viele Institutionen ein Problem. Platz gibt es nie genug. Evtl. könnten Kooperationen in Städten und Gemeinden eine Möglichkeit sein, um für mehrere Institutionen Platz und letztlich ein gemeinsames Materiallager zu schaffen.
Praxisbeispiel: Trash Galore, Leipzig
Die Initiative rettet Materialien von Veranstaltungen und vermitteln es an gemeinnützige Initiativen. So sorgen sie dafür, dass wiederverwendbare Materialien im Kreislauf bleiben – und aus Resten wieder Rohstoffe werden.
Webtipp: Nachhaltige Ausstellungen – hier gibt es zahlreiche Praxisbeispiele und auch die Broschüre Umweltfreundliche Ausstellungen – Der Ratgeber zur Konzeption und Umsetzung.
5 Starke Partner:innen
Welche Holzwerkstoffe können eingesetzt werden (wenig Zusätze oder Bindemittel), welche Kunststoffe gilt es zu vermeiden, welchen alternativen Werkstoffe gibt es (Kokos, Kaffee, Gräser)? Wie viel Co2 verursachen Farben und Lacke? Auch lohnt es sich, mit Werkstoffherstellern ins Gespräch zu kommen. Evtl. entsteht aus dem Bedarf und gemeinsamen Nachdenken Innovationen!
Bei notwendigen Ausschreibungen kann insbesondere durch Bezugnahme auf Gütezeichen oder in Form von Funktions- oder Leistungsanforderungen Nachhaltigkeit erreicht werden. Umweltaspekte können sich dabei zum einen direkt auf die Eigenschaften der ausgeschriebenen Leistung beziehen, zum anderen können Umwelteigenschaften in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt werden, die der ausgeschriebenen Leistung nicht unmittelbar anhaften wie umweltfreundliche Produktionsverfahren.
Um Klarheit über die verschiedenen Gütezeichen zu erhalten, gibt es in Deutschland die Webseite Siegelklarheit.
Die Recherche kann zeitintensiv sein, nachhaltige Materialien sind nicht immer die günstigsten, aber es lohnt sich trotzdem.
6 Kollaborativ und cokreativ
Für nachhaltiges Denken können auch Besucher:innen begeistert werden! Museen sind gesellschaftsrelevant und können ein Role Model sein. Sie sind wichtige Bildungsorte.
Praxisbeispiel: Grüne Moderne. Die neue Sicht auf Pflanzen, Museum Ludwig, Köln
Als Rahmenprogramm wurden Kinder, Jugendliche und Erwachsene zu Klimabotschafter:innen ausgebildet, die jeweils auf ein Nachhaltigkeitsziel hin trainiert wurden.
Praxisbeispiel: Landesmuseum Württemberg, Stuttgart
Die Besucher:innen werden dort spielerisch gefragt, wie sie angereist sind, dabei wird erklärt, welche Anreise welche Kosten für die Umwelt mit sich bringt.
Praxisbeispiel: Forum Wissen, Göttingen
Klimaaktivist:innen besetzen unangekündigt Ausstellungsräume und trafen auf das Wohlwollen der Institution: Christoph Bleidorn, wissenschaftlicher Leiter des Forums Wissen, zeigte sich beeindruckt von der unangekündigten Aktion: „So funktionieren Proteste. Wir wollen ein Haus sein, das zur Partizipation einlädt. Deswegen will ich nicht darüber meckern.“ Die Aktion führte zu regen Besucher:inneninteresse.
7 Die Schönheit des Upcyclens
Wiederverwendete Materialien müssen nicht langweilig sein! Viele Künstler:innen erarbeiten großartige Kunstwerke daraus (bspw. Matthias Garff).
Im LWL Museum für Archäologie und Kultur, Herne, machte das Team aus nicht mehr gebrauchte Banner aus den Ausstellungen zu Taschen, zum Teil mit den Besucher:innen, gemeinsam mit COMEBAG.
8 Für die Zukunft gerüstet
Der Klimawandelt macht vor den Museen nicht Halt: Starkregen und Dürre wechseln sich ab. Flutkatastrophen machen auch vor Museen nicht halt. Überlegungen zu einer schnell abbaubaren Ausstellung wurde im Dresdener Zwinger angestellt.
Ausstellung der Zukunft sind in vielerlei Hinsicht nachhaltig, und wenn man es klug einsetzt, sind sie ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltig.
Stefanie Dowidat ist Ausstellungsgestalterin am LWL Museum für Archäologie und Kultur in Herne und war Sprecherin der Arbeitsgruppe Nachhaltig Ausstellen des Deutschen Museumsbundes. Die gesammelten Erkenntnisse der Arbeitsgruppe gibt es >>> in diesem PDF.
Der Blogbeitrag basiert auf einem Vortrag bei der ARGE Museums For Future, 26. April 2023, protokolliert von Sabine Fauland.
Der Blogbeitrag basiert auf einem Vortrag bei der ARGE Museums For Future, 26. April 2023, protokolliert von Sabine Fauland.