
Ausstellungsansicht „Günther Brus. Unruhe nach dem Sturm“
Augmented Reality im Museum
Florian Waitzbauer über den Erfolg der Augmented Reality Projekte im Belvedere, Wien.
Die erste Ausstellung, die wir mittels Augmented Reality im Belvedere umgesetzt haben, war Günter Brus‘ Unruhe nach dem Sturm; – eine umfassende Retrospektive des österreichischen Künstlers mit über 600 Exponaten. Diese große Menge an Einzelobjekten, Fotos und Video-Footage für alle Besucher:innen direkt zugänglich zu machen war eine große Herausforderung. Wir wollten nun mit dieser Ausstellung ein Statement setzen – auch im digitalen Bereich.
Unter den vielen Unternehmen, die uns laufend neue Technologien, Lösungen und Produkte angeboten haben, war auch das österreichische Startup Artivive vertreten; seither unser Partner für Augmented Reality mit einem starken Fokus auf Kunst – und einem selbst entwickelten AR-Framework, das uns stabiles und verlässliches Tracking aus den unterschiedlichsten Blickwickeln über verschiedenste Medien und Materialien hinweg ermöglicht.
Zu vielen Exponaten in dieser Ausstellung gab es nicht nur zusätzliches Bild; – sondern auch viel Videomaterial. Um der Lebendigkeit und Eindringlichkeit der Performances von Günter Brus gerecht zu werden, haben wir uns dazu entschieden, auch möglichst viel Material davon direkt in der Ausstellung einzusetzen.
Die Verwendung von Augmented Reality hat es uns einerseits ermöglicht, hier ohne zusätzliche Devices wie Screens oder Projektionen auszukommen, und weiters unseren Besucherinnen und Besuchern eine direkte Interaktion mit den ausgestellten Kunstwerken zu ermöglichen. Einige dieser Stillframes haben hierbei als Trigger fungiert, die beim Scannen mittels der App Artivive das entsprechende Film- Video-Footage abgespielt haben. Damit haben wir die Bildserien tatsächlich zum Leben erweckt und die Besucher:innen gleichzeitig auf eine spannende digitale Schnitzeljagd geschickt.
Diese Trigger haben nicht nur in der Ausstellung selbst funktioniert, sondern auch mit den regulären Drucksorten – Einladungen, Flyern und Plakate – hier konnte man Günter Brus‘ Performance quasi direkt in Händen halten, bevor man überhaupt in der Ausstellung war.
Mit insgesamt 42 Triggern konnten wir Zugriffe im mittleren fünfstelligen Bereich generieren – dieser enorme Zuspruch hat uns selbst überrascht, und war ein wirklich guter Start für uns.
Der große Erfolg der Günter Brus Ausstellung, und der damit verbundene digitale Usecase hatte sich offenbar herumgesprochen. Für die folgende Ausstellung Pluriversum meldete sich der Künstler Alexander Kluge nämlich bereits selbst bei uns mit der Bitte, seine Ausstellung ebenfalls via Augmented Reality im digitalen Raum umzusetzen, weil er vom erfolgreichen digitalen Brus-Usecase gehört hatte.
Auch hier hatten wir das Glück, eine Menge Video-Content vom Künstler direkt zur Verfügung gestellt zu bekommen. Dieser Usecase wurde ähnlich umgesetzt – zweidimensionale Exponate (Bilder, Pinnwände, Plakate, Fotos … etc.) dienten hier als Trigger für die entsprechende Augmented Reality Experience. Besonders schön war in diesem Fall, dass die Initiative für einen Augmented Reality Usecase hier direkt vom Künstler ausging, der Augmented Reality als neue digitale Ausstellungsebene verstand und seine Arbeiten hier präsentieren wollte. Auch diese Ausstellung war ein großer Erfolg – durch den großen Zuspruch des Publikums konnten wir unsere Expertise in diesem Bereich ausbauen, für uns ein spannender und lohnender Lernprozess.
Bei den folgenden zwei Ausstellungen, Der Canaletto Blick und Egon Schiele. Wege einer Sammlung, die wir mit einer Augmented Reality Experience angereichert hatten, ging die Initiative bereits direkt von den Kuratorinnen und Kuratoren aus – beide Ausstellungen wurden bereits von Anfang an abteilungsübergreifend digital mitkonzipiert.
Speziell auf die Ausstellung Egon Schiele. Wege einer Sammlung möchte ich hier nochmals etwas genauer eingehen; im Belvedere wird – wie in jedem Museum – viel geforscht. In diesem Fall hatten wir für unseren geplanten Augmented Reality Usecase eine Menge großartigen Content aus unserer Restaurierungsabteilung, der bis dato noch nie sichtbar war: Ultraviolett-, Infrarot-, Röntgenaufnahmen, die neue, bisher unbekannte Perspektiven auf Egon Schieles Werk ermöglichten. Augmented Reality war für uns das Mittel, diesen Zugang so zu gestalten, dass wir unseren Besucherinnen und Besuchern ein echtes Wow-Erlebnis bieten konnten – noch besser, sie konnten diese Entdeckungen in direkter Interaktion mit dem Original selbst machen.
Diese Ausstellung war derart erfolgreich, dass wir uns entschieden haben, die entsprechenden Augmented Reality Usecases im Anschluss permanent in unsere Schausammlung aufzunehmen. Sie können Egon Schiele also auch selbst im Belvedere digital (neu) entdecken.
Es war unglaublich spannend, wie wir mittels moderner Technologien Arbeitsschritte wieder zum Vorschein bringen konnten, die wohl zuletzt Schiele selbst und vielleicht überhaupt als einziger gesehen hat. Wir dürfen uns also auf die großen und kleinen Geheimnisse freuen, die uns die Forschung zukünftig noch präsentieren wird.
Was sind nun die Learnings aus den bisherigen Augmented Reality Usecases?
Content is King
Diese „Weisheit“ gilt nach wie vor – und als Museen haben wir nun wirklich genug guten Content. Spannende Geschichten, mit genuinem Content originär erzählt, begeistern die Menschen, sie vermitteln neues Wissen auf unterhaltsame Weise – und können dem Museum auch neue Zielgruppen erschließen. Der Umstand, dass wir als Museen wahre Schatzkammern an großartigen Inhalten haben, sollte uns das Vertrauen und den Mut geben, aus unseren Komfortzone herauszugehen und die Ergebnisse unserer Forschung, die Inhalte unserer Sammlung auf neue und innovative Weise allen Zielgruppen gleichermaßen spannend und direkt zugänglich zu machen und somit unserem Bildungsauftrag zu entsprechen.
Augmented Reality soll Dialog mit dem Original sein – keine Barriere
Stand 2020 ist das Smartphone das Device, dass unsere Augmented Reality Experiences ermöglicht, daher müssen wir besonders aufpassen, dass es nicht zur Barriere zwischen Betrachter:in und Original wird. Ich werde oft gefragt, ob das Smartphone nicht wieder das Problem verursacht, dass Besucher:innen auf kleine Bildschirme starren, statt das Original und die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen. Dieser Aspekt ist bei allen digitalen Usecases extrem wichtig – digitale Tools und Lösungen sollten uns immer „nur“ dabei helfen, die Geschichten, die wir unseren Besucherinnen und Besuchern erzählen wollen, bestmöglich, neu, spannend und innovativ erzählen zu können – sie sollten aber nie zum Selbstzweck werden. Wie immer gilt – die Dosis macht das Gift. Das bringt mich zum nächsten Punkt:
Weniger ist mehr
Es macht mehr Sinn, wenige, dafür aber herausragende Augmented Reality Experiences anzubieten. Zu viele Usecases ermüden die Besucher:innen und der Zauber verfliegt schnell.
Bei Egon Schiele haben wir uns für acht Werke entschieden, die via Augmented Reality ihre Geheimnisse preisgegeben haben. Mehr wäre möglich, aber nicht besser gewesen, dieses Feedback haben wir von vielen Seiten bekommen, und es hat uns nochmals in unserer Umsetzung bestätigt.
Think digital
Der digitale Aspekt einer Ausstellung muss von Anfang an auf jeder Ebene des Unternehmens mitgedacht werden. Unsere Augmented Reality Usecases verdanken ihren Erfolg in erster Linie einem großartigen Team, das abteilungsübergreifend zusammenarbeitet. Es braucht hierbei das Commitment aller – von der Geschäftsführung über Restaurator:innen, Kuratorinnen und Kuratoren, Kunstvermittler:innen bis hin zum digitalen Team.
Augmented Reality – wie jede neue Technologie – bietet viele Möglichkeiten und Chancen, aber auch Herausforderungen. Wie viele andere digitale Lösungen ist auch Augmented Reality nur eines von vielen Werkzeugen – richtig eingesetzt ermöglicht es uns neue Zugänge zur Kunst.
Mittels Augmented Reality können wir nun in einen innovativen Dialog mit dem Original treten, wir können es spannende Geschichten erzählen lassen, die unsere Besucher:innen berühren, bewegen und bezaubern. Denn am Ende bleibt es doch das Original, das uns das Museum besuchen lässt und uns in seinen Bann zieht.
Credits und Zusatzinfos:
Fotos: Belvedere, Wien / Sophie Tun (1) , 3, Header), Oliver Khafagi (2)