Wir brauchen es nicht mehr?
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Auf dem Weg zum klimaaktiven Museum – mit der Vitrinenbörse einen Schritt weiter

Die Museumsarbeit, wie wir sie gewohnt waren, ist grundsätzlich nicht besonders klimaschonend angelegt – auf beiden Seiten nicht, weder vor noch hinter den Kulissen: Der gehypte litauische Pavillon Sun & Sea. Marina auf  der Biennale di Venezia 2019 zeigte kurz vor Ausbruch der Covid-19- Pandemie, wie das Kunst- und Ausstellungsbusiness gerne funktioniert(e): Der künstlich angelegte Strand der Künstlerinnen Rugile Barzdziukaite, Vaiva Grainyte und Lina Lapelyte übte klimabewusst Kritik am vielen Reisen, an Konsum etc. und wollte auf Klimawandel wie Artensterben aufmerksam machen. Die reisenden und kunstkonsumierenden Besucher:innen sahen von einem Balkon  auf ihr eigenes (?) Leben herab. Heerscharen an Kunst- und Kultur- interessierten pilger(t)en durch die ganze Welt von Kunstmesse zu Kunstmesse, von Ausstellung zu Ausstellung, der Vorwurf des Greenwashing durch das Befassen mit „grünen Themen“ war (oder ist?) ein naheliegendes Argument. Hanno Rauterberg erläu- terte Ende 2019 in Der Zeit 2019/32 unter dem Titel „Die Kunst der Scheinheiligkeit“ den „ästhetischen Ablasshandel“, den die Kunst- und Museumsbranche betreiben. Zwei Kurzflüge in einer Woche innerhalb Europas, ein naheliegendes Beispiel in der Saison – möglicherweise von Wien nach Venedig und nach London – ergeben 400 kg CO2, das wäre schon ein 15tel des durchschnittlichen CO2-Jahresverbrauchs pro Kopf in Österreich (wobei das noch weit  entfernt von Klimaneutralität ist!). Internationale Besucher:innen, internationale Reisen von Presse und (Kunst-)Kritik sind erwünschte Begleiterscheinungen jeglichen Ausstellungswesens. 

Hinter den Ausstellungswänden ist der Museumsbetrieb ebenfalls klimaintensiv: Da wäre zum einen der internationale Leih- verkehr, der von restauratorischen und Versicherungskriterien in ungeahnte Ausmaße gepusht wird (Klimakisten, ein Verkehrsmittel pro Kunstwerk etc.), auf der anderen Seite der Ausstellungsbau, der mit nicht immer hochwertigen, da nur kurzfristig genutzten Materialien mehrmals jährlich neue Ausstellungsmobiliare erzeugt. Schließlich hat es sich eingebürgert, dass jede Ausstellung neue Eindrücke vermitteln muss, nicht nur inhaltlich, sondern auch szenografisch und ästhetisch. Daran hat die Branche die Besucher:innen gewöhnt. Wechselausstellungen erzeugen wechselndes Mobiliar. 

Das MAK Museum für angewandte Kunst, Wien, hat in einem Projekt mit der Kompetenzstelle für Klimaneutralität am Zentrum für Globalen Wandel und Nachhaltigkeit der BOKU Wien den Gesamt- verbrauch des Museums auf 865 Tonnen CO2 berechnet (7 Tonnen pro Mitarbeiter:in, 0,11 Tonnen pro m2)1, der Verbrauch spezifisch
 für eine Ausstellung betrug im Rahmen der Laufzeit 12,36 Tonnen, ein Drittel davon erzeugten Transport und Verbrauchsmittel. Hierzu ist anzumerken, dass das MAK als besonders klimaaktives Museum gilt und dass insbesondere die Ausstellung CLIMATE CARE. Stellen wir uns vor, unser Planet hat Zukunft auf niedrigen CO2-Verbrauch bedacht war. Natürlich fehlen uns auch noch die Vergleichswerte innerhalb der Museumslandschaft, aber mit einer gewissen Sicherheit darf behauptet werden, dass das Ausstellen als eines der Kerngeschäfte des Museums einen einigermaßen hohen CO2-Verbrauch hat, insbesondere in der Herstellung. Hinzukommt, dass viele der Ausstellungsmaterialien nicht nachhaltig genutzt werden. 

Dem möchte die Vitrinenbörse, die IntoArt Producation GmbH und Museumsbund Österreich zur Verfügung stellen, Abhilfe schaffen: Die Vitrinenbörse ist ein virtueller Marktplatz, auf dem Ausstellungsmaterialien – von Beleuchtungs- leisten bis hin zu Vitrinen – gegen Entgelt oder kostenfrei von Museum zu Museum weitergegeben werden können. Um einem gewissen Qualitätsanspruch gerecht zu werden, ist die Plattform ausschließlich für registrierte Museen automatisch zugänglich, nicht registrierte Museen und andere museumsähnliche Einrichtungen müssen sich für einen Zugang erst bewerben. 

Danach können Museumsvitrinen, Ausstellungstechnik, Beleuchtung(szubehör), Sicherheitszubehör, Stell- und Trennwände mit Fotos und Maßen eingestellt werden und so in einem nächsten Museum nach- und weitergenutzt werden. Dabei ist die Vitrinenbörse nur die vermittelnde Plattform, die Kommunikation und in weiterer Folge auch das Geschäft erfolgt zwischen den Museen  auf deren Verantwortung.

Warum aber möchte sich ein Vitrinenbauer wie IntoArt Producation GmbH durch diese Plattform zusätzliche „Konkurrenz“ ins Boot holen? Allzu oft schmücken sich Unternehmen mit schönen Bildern und Worten zum Thema Nachhaltigkeit in ihren Geschäftsberichten oder Social-Media-Postings, betreiben jedoch im Alltagsgeschäft trotzdem weiterhin „business as usual“.  „Ein Umdenken hat bei uns bereits vor einiger Zeit begonnen und es ist gewiss noch nicht abgeschlossen. Aber die Schritte gehen rasch in die richtige Richtung. Im Alltag sind wir abhängig von unseren Produzenten, die uns den Rohstahl oder das Rohglas zur Verfügung stellen. Bei der Auswahl der Rohstoffe achten wir daher sehr auf die Herstellungsverfahren und die Transportwege und bereits jetzt können durch den Einsatz von recycelten Materialien bis zu 95 % Energie und C02 eingespart werden, ohne dabei bei der Qualität zu sparen. Die Vitrinenbörse sehen wir nicht als Kon- kurrenz. Es werden auch künftig maßgefertigte Vitrinen und Museumseinrichtungen benötigt werden. Da ist es umso besser, wenn diese nicht von der Stange und mit langen Transportwegen kommen. Denn energieeffizientes Arbeiten und kluges Recycling bzw. Reuse von Materialien ist auch aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll. So wie fast fashion keinen Platz in den Kleiderschränken haben sollte, sollten auch keine Massen- und Wegwerfprodukte in Museen Platz finden. Rohstoffe sind kostbar und hohe Rohstoffqualität, kombiniert mit präziser Verarbeitung garantiert eine lange Lebenszeit von Produkten,“ sagt Christoph Friedl von IntoArt Producation GmbH

Aller Anfang ist dabei natürlich schwer. Wer sich erwartet, mit einem Klick auf die größte Auswahl zu stoßen, ist natürlich vorerst fehl am Platz. Es bedarf einer umfassenden Bewusstseinsveränderung in den Museumsteams, der Bereitstellung der Plattform (erledigt!) und schließlich einer konsequenten Nutzung: Wir brauchen es nicht mehr, wir geben es weiter! Es muss Alltag im Museum werden, Nachhaltigkeit bei jeder Tätigkeit als Leitprinzip an oberste Stelle zu setzen. Das sind keine leichten Aufgaben, die uns bevorstehen, aber anstatt zu lamentieren, gehen wir’s einfach an, oder? 

Credits und Zusatzinfos: 
Foto:
Christoph Friedl

Auf der Vitrinenbörse können Ausstellungsmaterialien kostenfrei oder gegen Entgelt weitergegeben werden

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