
Ein digitaler Medienguide fürs Wien Museum Neu, Foto: pxphere
Audiodeskriptionen im digitalen Medienguide
Bericht zur Entwicklung eines Leitfadens zur Erstellung von Audiodeskriptionen im Wien Museum
Von:
Ulrike Haidinger (Studierende, Expanded Museum Studies, Universität für angewandte Kunst Wien), Wien
Im Dezember 2023 öffnet das Wien Museum am Karlsplatz wieder seine Pforten für Besucher:innen. Die neue Dauerausstellung wird chronologisch durch die Stadtgeschichte – von der Frühzeit bis in die Gegenwart – führen. Derzeit wird an einem digitalen Medienguide als Erweiterung des Ausstellungsbesuchs gearbeitet, der sowohl im Museum als auch zuhause genutzt werden kann. Der digitale Guide bietet vertiefende Informationen in Form von kurzen Audiobeiträgen zu rund 100 Exponaten der Dauerausstellung. Mithilfe von Videos, Bildern und Audios in verschiedenen Sprachen, Gebärdensprache und einfacher Sprache werden kulturhistorische Informationen sowie Hintergrundgeschichten über die Ausstellungsstücke erzählt. Zusätzlich wird es im digitalen Medienguide Audiodeskriptionen, also detaillierte Werkbeschreibungen, zu 100 Objekten der Dauerausstellung geben, die die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit des Museums für alle Besucher:innen vor allem aber für blinde und sehbehinderte Personen verbessern.
Ziel dieser Audiodeskriptionen ist es, primär blinden und sehbehinderten Besucher:innen des Museums objektive und detailgetreue Beschreibungen von ausgewählten Ausstellungsstücken zur Verfügung zu stellen, die als Grundlage für die weitere Auseinandersetzung dienen. Auch für andere Personengruppen, wie ältere Besucher:innen oder detailinteressierte Personen, bieten die Audiodeskriptionen einen Mehrwert.
Was ist eine Audiodeskription?
Eine Audiodeskription ist eine akustische Beschreibung von visuellen Inhalten, meist bekannt von Filmen und Serien. Mithilfe dieser Beschreibung soll vor allem blinden und sehbehinderten Personen nach dem Mehr-Sinne-Prinzip Informationen vermittelt werden, die sonst nur über den Sehsinn wahrzunehmen wären. Visuelle Informationen, wie beispielsweise ein Gemälde in einer Ausstellung, werden in Sprache transferiert und als Text zum Hören angeboten. Die Tonspur gibt im neutralen Stil und in knappen, einfachen Worten das Dargestellte wieder. So kann Visuelles durch das Mehr-Sinne-Prinzip für blinde und sehbehinderten Besucher:innen zugänglicher gestaltet werden.
Bedeutung von Audiodeskriptionen
Ohne diese akustische Beschreibung ist es für blinde und sehbehinderte Menschen oft unmöglich, ein Exponat im Museum selbstständig und unvoreingenommen wahrzunehmen. Für sehendes Publikum bietet sich außerdem die Möglichkeit, sich Ausstellungsstücke deutlich beschreiben zu lassen, ohne zeitlich von einer Führung abhängig zu sein. Darüber hinaus erleichtert eine Audiodeskription das Verstehen von komplexeren Beiträgen, die das Dargestellte interpretieren oder analysieren. So trägt die Audiodeskription zum Verständnis der Exponate im Museum für Besucher:innen mit verschiedenen Bedürfnissen bei und führt in weiterer Folge zu einer besseren Zugänglichkeit im Sinne eines inklusiven Museums.
Erstellung eines Leitfadens und Zusammenarbeit mit einer Fokusgruppe
Im Herbst letzten Jahres wurde von Ulrike Haidinger eine umfangreiche Recherche mit einem Literaturüberblick sowie einer Zusammenstellung von musealen Institutionen im deutschsprachigen Raum erstellt, die bereits Audiodeskriptionen anbieten. Darauf aufbauend wurden von ihr erste Audiodeskriptions-Beispiele zu Objekten aus dem Wien Museum verfasst und einer Fokusgruppe präsentiert. Die aus drei blinden Frauen bestehende Fokusgruppe, die das Wien Museum bezüglich Barrierefreiheit und Inklusion berät, gab sehr hilfreiches Feedback und beantwortete offene Fragen. So konnten verschiedene wichtige Aspekte, wie beispielsweise die Reihung der Informationen im Text, Fachbegriffe oder Textlänge geklärt werden. Die herausgearbeiteten Empfehlungen flossen in den Leitfaden zur Erstellung von Audiodeskriptionen mit ein.
Hinweise für die Gestaltung einer Audiodeskription
An erster Stelle der zu beachtenden Punkte für die Gestaltung von Audiodeskriptionen steht die Verständlichkeit, denn sie spielt beim Textaufbau, Wortwahl, Satzbau und Satzlänge eine wesentliche Rolle, die sich auf die gesamte Werkbeschreibung auswirkt. Deswegen sollte beispielsweise auf kurze Sätze, eine logische Reihenfolge der Informationen und auf sich wiederholende Bezeichnungen geachtet werden.
Als besonders wichtig bei der Beschreibung zeichnete sich bei allen drei Befragten die Art der Präsentation aus. Ist die Skulptur von allen Seiten zu betrachten oder steht sie an der Wand? Wie ist die Beleuchtung? Das Display, die Umgebung, der Hintergrund und die Beleuchtung beeinflussen maßgeblich den Eindruck eines Exponats. Daher sollte die Präsentationsform nach der Einleitung und Materialbeschreibung folgen.
Die Fokusgruppe merkte ebenfalls an, dass Fremdwörter kurz erklärt und die Wirkung oder Atmosphäre nur sehr dosiert erwähnt werden sollte. Als Schwierigkeit bei einer detaillierten und objektiven Beschreibung stellte sich der schmale Grat zwischen Beschreibung und Interpretation heraus, weil beispielsweise ein lachendes Gesicht oft als fröhlich bezeichnet wird. Interpretative Beschreibungen von Mimik und Gestik sind in einer Beschreibung fehl am Platz, weil diese schnell missverstanden werden können. Stattdessen kann der Gesichtsausdruck vorsichtig umschrieben oder angemerkt werden, dass es sich um eine Deutung handelt. Wichtig ist außerdem bei Beschreibungen von rechts und links, beispielsweise bei Körperhaltungen, von seinem:ihren rechten Arm zu sprechen, um Missverständnissen vorzubeugen. Informationen, die über die reine Betrachtung hinaus gehen (z. B. zur Funktion eines Exponats), sollten sich nicht in der Audiodeskription wiederfinden – nur Daten und Fakten auf das Wesentliche reduziert.
Ausblick
Auf Grundlage von den bereits erwähnten ersten Beispieltexten und dem Feedback einer Fokusgruppe wurde von Ulrike Haidinger ein Leitfaden zur Erstellung von Audiodeskriptionen verfasst. Dieser Leitfaden wird für die Anfertigung der im Medienguide aufrufbaren Audiodeskriptionen zu etwa 100 Exponaten der neuen Dauerausstellung im Wien Museum am Karlsplatz herangezogen. Mit diesem Angebot an Audiodeskriptionen erhöht das Wien Museum mit Wiedereröffnung Ende des Jahres 2023 seine Zugänglichkeit und trägt zu einer inklusiven Gestaltung des Museums bei.
Zur Person:
Ulrike Haidinger, BA studiert seit Herbst 2021 Expanded Museum Studies an der Universität für angewandte Kunst Wien und beschäftigt sich dabei verstärkt mit den Themen Barrierefreiheit und Inklusion. Im Herbst 2022 erstellte sie während ihres Praktikums am Wien Museum (Abteilung Ausstellungsproduktion & Inklusives Museum) nach umfangreicher Recherche und Feedback einer Fokusgruppe einen Leitfaden zur Erstellung von Audiodeskriptionen, welcher für die Erstellung von Audiodeskriptionen Verwendung findet.
Credits und Zusatzinfos:
Literatur
Bernd Benecke, Audiodeskriptionen als partielle Translation. Modell und Methode, Berlin 2014.
Patrick Föhl, Stefanie Erdrich, Harmut John, Karin Maaß (Hg), Das barrierefreie Museum. Theorie und Praxis einer besseren Zugänglichkeit. Ein Handbuch, Bielefeld 2015.
Susanne Johanna Jekat, Heike Elisabeth Jüngst, Klaus Schubert, Claudia Villiger (Hg), Sprache barrierefrei gestalten. Perspektiven aus der Angewandten Linguistik, Berlin 2014.
Susanne Johanna Jekat, Heike Elisabeth Jüngst, Klaus Schubert, Claudia Villiger (Hg), Sprache barrierefrei gestalten. Perspektiven aus der Angewandten Linguistik, Berlin 2014.
Christiane Maaß; Isabel Rink (Hg), Handbuch Barrierefreie Kommunikation, Berlin 2019.
Nathalie Mälzer (Hg), Barrierefreie Kommunikation – Perspektiven aus Theorie und Praxis, Berlin 2016.