Feed vom Instagramaccount @textileclothingcoll.vkmvienna | Screenshot: Sabine Fauland
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Die Textil- und Bekleidungssammlung des Volkskundemuseum Wien auf Social Media – Möglichkeiten, Effekte, Ergebnisse
Von:
Maria Raid (wissenschaftliche Mitarbeiterin Textil und Bekleidungssammlung, Volkskundemuseum Wien), Kathrin Pallestrang (Kuratorin Textil- und Bekleidungssammlung, Volkskundemuseum Wien), Wien
Wie jedes Museum steht auch das Volkskundemuseum Wien vor den Herausforderungen der Gegenwart. Zu diesen gehören die Fragen, wie die Öffentlichkeit für die eigene Sammlung zu begeistern ist, wie Soziale Medien effektiv eingesetzt und neue Nutzer:innenschichten angesprochen werden können. Es liegt auf der Hand, die drei Anliegen zu verbinden.
#fashionfriday
Schon längere Zeit betreibt das Museum, wie viele andere, eine Seite auf Facebook und kommuniziert via Instagram und Twitter. Die Textil- und Bekleidungsabteilung begann im Mai 2020 damit, regelmäßig einmal in der Woche auf Facebook und Instagram Einblicke in den rund 25.000 Objekte umfassenden Bestand an Kleidungstücken, Accessoires, Gebrauchstextilien und Mustertüchern zu geben. Seitdem stellen wir jeden Freitag, am #fashionfriday, der Öffentlichkeit ein Objekt oder ein Ensemble vor. Neben Angaben zu Material, Herstellungstechnik, Funktionsweisen und Alter der Objekte gehen wir regelmäßig auf die Provenienz ein, also darauf, wie und warum das Objekt ins Museum gelangte. Zusätzlich greifen wir einen der vielen möglichen thematischen Kontexte heraus, in denen die gezeigten Dinge stehen. Wir erzählen von Bedeutungen und Konnotationen, sozial- oder ideengeschichtliche Zusammenhängen und konterkarieren dabei nicht selten herkömmliche Vorstellungen von Kleidertraditionen und Trachten.
Themenspezifische Postings
Bis Jahresende 2020 verarbeiteten wir Highlights, die schon zuvor im Zusammenhang einer Ausstellung, Publikation oder eines Forschungsprojekts analysiert und veröffentlicht worden waren. Der Jänner 2021 brachte zwei Neuerungen: Zusätzlich zu den Beiträgen auf den beiden Foren des Volkskundemuseum Wien posten wir seitdem auf dem eigenen, rein englischsprachigen Instagram-Account @textileclothingcoll.vkmvienna, der allein vom Team der Textil- und Bekleidungsabteilung bespielt wird. Die deutschsprachigen Beiträge werden hierfür von uns selbst ins Englische übersetzt.
Als zweite Neuerung begannen wir damit, wöchentlich eines der rund 300 Ensembles des Museums vorzustellen. Es handelt sich dabei um solche, die als zusammengehörig ins Haus gekommen waren, wie auch um solche, die erst nachträglich im Museum zusammengestellt worden waren. Die Umstände der Zusammenführung machten wir in den Postings jeweils transparent. Alle auffindbaren Ensembleteile wurden in einem Posting gemeinsam gezeigt. Wenn mitunter Teile nicht auffindbar waren, wurde das offen angesprochen und die kausalen Museumslogiken erklärt.
Seit Beginn des Jahres 2022 folgen die Postings monatlich einem Thema: Alle regulären Postings ordnen sich diesem unter. Die Themen gerieren sich aus Klassifizierungen von Kleidungsstücken und Accessoires, wie Stiefel, Kopfbedeckungen, Westen oder Fächer, aus Gebrauchs- und Funktionszusammenhängen wie Faschingskostüme, Winterkleidung, Hochzeitskleidung oder textile Objekte für den Ballsport. Der Oktober 2022 war anlässlich des im Museum stattfindenden Repair Festivals diversen geflickten Kleidungsstücken gewidmet.
#textiletuesday
Seit letztem Jahr bedienen wir uns auch in anderen Sammlungsbereichen, vor allem der Grafik- und der Fotosammlung, um die geposteten Objekte bzw. ähnliche Objekte in getragenem Zustand an einem menschlichen Körper zu zeigen, da wir uns dagegen entschieden haben, die Objekte an einer Puppe drapiert zu fotografieren. Solche ergänzenden Postings werden an jenem Dienstag – #textiletuesday – veröffentlicht, der dem betreffenden Freitag folgt.
Zusätzlich zu den regelmäßigen Beiträgen stellen wir hin und wieder Postings zusammen, die es uns erlauben, schnell auf ein aktuelles Ereignis zu reagieren. So riefen wir etwa im Februar 2023 in einem Posting, das einen Babyeinteiler aus unserer Sammlung präsentierte, der für ein internationales Modehaus in der Türkei hergestellt worden war, zu Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei und Syrien auf und machten gleichzeitig auf die prekären Lebensumstände von Arbeiterinnen in der Fast Fashion Industrie aufmerksam.
Seit Ausbruch des Krieges zwischen Russland und der Ukraine posten wir jeden Monat ein Objekt aus der Ukraine. Das Volkskundemuseum Wien besitzt eine sehr umfangreiche Sammlung von Volkskunst und Gebrauchsgegenständen vor allem aus der Westukraine, aus dem ehemaligen Habsburgischen Kronland Galizien, vorwiegend aus der Zeit um 1900. Mit unseren Postings wollen wir das durch den russischen Angriffskrieg verursachte Leid präsent halten. Außerdem ist es uns ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass Krieg nicht nur Leben und Existenzen, sondern auch Kunst- und Kulturobjekte für immer zerstört.
Erweiterung um einen englischsprachigen Account
Der englischsprachige Instagram-Account hat inzwischen über 1.000 internationale Follower:innen. Darunter auch einige internationale Größen aus dem Fach Mode- und Kleidungsgeschichte bzw. Fashion Studies. Durch die Konzentration auf einen Sammlungsbereich im eigenen Account ist es möglich, die speziell an Kleidung und deren Erforschung interessierte Community gezielt anzusprechen. Wir erhalten regelmäßig Kommentare und Fragen zu unseren Postings. Alle hierdurch eingelangten neuen Informationen fließen in unsere Objektdatenbank ein und sind wertvolle Hinweise auch darauf, was unsere Leser:innen interessiert.
Viel Zuspruch erhielten wir Anfang dieses Jahres, als wir uns selbst, also die Menschen hinter den Postings – und hinter der Sammlung – vorstellten. Die beiden Autorinnen dieses Artikels verfassen die Texte zu den Postings, Textilrestauratorin Monika Maislinger kümmert sich um das Objekthandling und fertigt die Fotos an. Wenn sich bereits ein Foto eines betreffenden Objekts in unserer Datenbank befindet, handelt es sich meist um ein Arbeitsfoto, das zur Veröffentlichung nicht geeignet ist. Die für Social Media aufgenommenen Fotos werden in die Datenbank eingespielt und bereichern diese nachhaltig.
Positive Effekte
Das Projekt hat weitere positive Effekte auf mehreren Ebenen. Es ist uns auf diese Weise möglich, mit relative wenig Aufwand zu zeigen, wofür das Volkskundemuseum Wien steht. Nicht nur Objekte und Sammelschwerpunkte – rezente wie historische – werden öffentlich gemacht und von einem breiten Publikum wahrgenommen. Auch die Herangehensweise an Themen, das Verständnis von Objekten als Akteure und Knotenpunkte in einem Netz von Dingen und Menschen sowie die Selbstreflexion, die uns als kulturwissenschaftliche Institution auszeichnen, wird deutlich. Für uns als dreiköpfiges Team, das die Postings erarbeitet, ist das konstante Präsentieren der Sammlung eine Bestätigung des eigenen Tuns und der Sinnhaftigkeit der musealen Tätigkeiten.
Durch das permanente Einbeziehen einer Außenperspektive hat die Erarbeitung der Postings zu einem frischen Blick auf die Sammlung geführt. Die historische Entwicklung der Sammlung und die Sammelmotivationen treten deutlicher hervor. Die Erforschung der Sammlungsgenese und der vielen Personen, die durch ihre (private) Sammeltätigkeit, durch Verkäufe oder Schenkungen zu ihrem Werden beigetragen haben, ist nun Gegenstand eines Projekts, das in eine – auch gedruckte – Publikation münden soll. Die Suche nach korrekten Formulierungen und Kategorisierungen für die Postings führte zur Überarbeitung des Thesaurus in der Datenbank nach Gerechtigkeitsprinzipien; diskriminierende Sprache soll vermieden werden, ohne dass historische Zuschreibungen verloren gehen, was eine besondere Herausforderung darstellt.
Die wichtigste Erkenntnis aus der Nutzung der sozialen Medien ist aber, dass ein Foto und eine Beschreibung, seien sie auch noch so gut und detailliert, niemals den Kontakt mit dem Originalobjekt ersetzen können. Auch bei unseren Follower:innen wird vielfach der Wunsch geweckt, das Volkskundemuseum Wien zu besuchen, um die Dinge mit eigenen Augen zu sehen oder ihnen im selben Raum gegenüberzutreten.
Permanent Link: www.doi.org/10.58865/13.14/233/2
Permanent Link: www.doi.org/10.58865/13.14/233/2